GEDICHT FÜR KATHARINA,

in deren dunklen Augen sich mir

- für einen kurzen Augenblick -

eine Welt zeigte,

die Märchen und Wirklichkeit

zugleich war


...
Aber du fragst, wieso ich so viele Liebeslieder verfasse,
Und woher dies zärtliche Buch mir auf die Lippen kommt.
Weder Kalliope noch Apollon bliesen mir dieses ein.
   Ein Mädchen nur ist mein Genie
...

Ezra Pound: Dem Sextus Propertius zur Huldigung

1

And there was not 'those girls', there was one face /
Und nichts war mit 'den Mädchen', gab nur ein Gesicht

Ezra Pound: Canto III

 

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Ist Laura denn allein der Name, der
Von allen zarten Lippen klingen soll?
Und hatte nur Petrarch allein das Recht,
Die unbekannte Schöne zu vergöttern?

                              

(Goethe, Torquato Tasso)

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Im Anfang war es Dein Gesicht,
Dein Körper, Deine Erscheinung...

Die alltäglichen Verrichtungen
wollten mir nicht mehr gelingen...

An jenem 17. 5. 1985 wurde mein Leben
unsicher...

Später dann erfuhr ich
Deinen Namen
und Ruhe kehrte ein...

Nun bist Du der Name
und der Name bist Du

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If not for you
My sky would fall,
Rain would gather too.
Without your love I'd be nowhere at all,
I'd be lost if not for you,
And you know it's true.

                  

(Bob Dylan, If Not For You)

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EIN FOTO:
Deine Hände -
die rechte
über die linke
gelegt
(letztere
kaum zu sehen)
der kleine Finger
der rechten Hand
leicht angewinkelt
zart
zerbrechlich -
Das Silber der Nägel!

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   Wie mich die Gestalt verfolgt! Wachend und träumend füllt sie meine ganze Seele! Hier, wenn ich die Augen schließe, hier in meiner Stirn, wo die innere Sehkraft sich vereinigt, stehen ihre schwarzen Augen. Hier! ich kann es dir nicht ausdrücken. Mach ich die Augen zu, so sind sie da; wie ein Meer, wie ein Abgrund ruhen sie vor mir, in mir, füllen die Sinne meiner Stirn.
   Was ist der Mensch, der gepriesene Halbgott! Ermangeln ihm nicht eben da die Kräfte, wo er sie am nötigsten braucht? Und wenn er in Freude sich aufschwingt oder im Leiden versinkt, wird er nicht in beiden eben da aufgehalten, eben da zu dem stumpfen, kalten Bewußtsein wieder zurückgebracht, da er sich in der Fülle des Unendlichen zu verlieren sehnte.

(Goethe, Die Leiden des jungen Werthers)

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geträumtes Echo meiner Träume
aufgefangen von Dir
im Nebel der Nacht
Tautropfen auf gläsernen Halmen
unzählige Worte - verschluckt,
auf den Boden gefallen, zertreten...

versäumte Blicke in Deine Augen
kurzsichtige Hoffnungen im Chaos der Nacht
schlafwandelnde Schemengestalt
ungreifbar und unnahbar
meine unruhige Hand fällt selbstvergessen
herab auf Dein Bild...

der Brief fällt Dir aus der Hand
und meine Knie werden weich
Deine dunklen Augenlider
verdecken keine Botschaft
und die Kluft zwischen uns
kann kein Traumvogel überbrücken
 

die Phantasie - immer sprungbereit
über den Graben der Realität
mein Ich - in Bücherwelten vergraben
meine kaum wahrnehmbare Stimme
auf dem Weg in Deine Ohren
unter dunklen Schatten verborgen...

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Wenn ich aufstehe des Morgens, so hat mich dein Bild erweckt, wenn ich mich schlafen lege, so wiegt mich dein Bild in Träume. Wenn ich alle meine Sinne vor dir zuschlöße, du lebst doch im dunklen Bewußtsein.
   Wenn du mein wärst, welche Reihe von glücklichen Winterabenden! (...) Kein Geheimnis würde zwischen uns obwalten. Auf die reinste unbefangenste Offenheit gründete sich die Ruhe der Gemüter. Wir würden nicht sein, was wir scheinen; zwei verschiedene Wesen. Wir würden unsere Herzen wechselseitig austauschen (...). Wie könnten wir noch getrennt werden, wenn wir uns selbst nicht mehr unterscheiden könnten? Wenn das Mein und Dein in Geist und Gemüt verschmolzen wären? Wer möchte ein Eigentum haben, wenn er liebt, ein Geheimnis, wenn er geliebt wird?

(August von Platen, Tagebücher)

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im schmutziggrauen Schneematsch eine
Feder gefunden
verloren von einem Paradiesvogel
ich hebe sie auf, betrachte sie und entferne
mich (einmal mehr & wieder intensiver)
aus der Wirklichkeit

aus der Ferne höre ich Dein (wenn ich nur
das passende Wort fände!)
silberhelles Lachen - und

bin für immer verloren
für anderes
Der Lärm um mich herum

kann meinen Ohren nichts mehr
anhaben - Erinnere ich dazu
noch Deine Augen, so ist nun
wirklich nichts mehr möglich
als... - Auf meinem Schreibtisch
liegt die Vogelfeder
nichts ist mehr so wie es wahr

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Ich muß es gestehen, meine Denkungs=Art hat sich entsetzlich verändert. Bevor ich Sie kennengelernt, meine Liebe! war die Einsamkeit ein Gan-Eden für mich. Nun mehr wird sie mir unerträglich. Ich bin mit meinen Umständen sehr wohl zufrieden, aber ich kann mich nit mehr so in mir selbst einschließen, als ich sonst gewohnt war.

(Moses Mendelssohn, Brautbriefe)
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scheinbar ziellos - wie die Ameise
in der Dunkelheit des Weges -
gehe ich Dir entgegen
Orientierungspunkte sind nicht erkennbar

DU-: mich irritierend
ICH-: hilflos vor Dir stehend
WIR-: wohin nur mit uns?
HOFFNUNG: Zukunft ist möglich

das Allgemeinplätzchen 'scheues Reh'
trifft nicht mehr & der Übergang
von der Phantasie in die Wirklichkeit
kann vollzogen werden

leicht vornübergebeugt hörst Du mir zu
Deine Augen verdunkeln den Raum
Deine Antworten auf meine Fragen kommen sicher
und vergrößern meine Unsicherheit

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...in unbegieriger Betrachtung
tatenlos verharren...

   

(Botho Strauß, Paare Passanten)
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Träume lügen - !
Vertrau Deiner Einsicht
und nicht den Bildern
die Dich verführen wollen

Ich habe Angst vor Deinen Träumen
Ich habe Angst vor Deinem Erwachen
Ich habe Angst vor Deinem Körper
Ich habe Angst vor Deiner Seele

Der Verfall meines Körpers
(ausgelöst durch Dein Erscheinen)
macht unaufhaltsame Fortschritte
Er gehört nicht mehr mir

Mein Denken flüchtet in Träume

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Denn Diotima lebt, wie die zarten Blüthen im Winter,
  Reich an eigenem Geist sucht sie die Sonne doch auch.
Aber die Sonne des Geists, die schönere Welt ist hinunter
  Und in frostiger Nachtr zanken Orkane sich nur.

(Hölderlin, Diotima)
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Meine Träume, meine Märchen
totgepflaster von Unwürdigen
Meine Schritte verhallen ohne Echo
in dieser Gruft voll dunkler Augen

Ich - ein NochLebender
dessen fiebrige Visionen
auf dem Papier verbrennen
ein Häufchen Asche zurücklassend

Dann trittst Du hervor
aus dem Dunkel
und begehrst Einlaß
in meine Unsicherheit

Die schwarztoten Männer
reffen das Segel
Unser Boot treibt ziellos umher
auf der Suche nach einem Hafen

Die Blumen in Deinem Haar
verwelken und sterben
wie unsere nie gelebte Liebe
ohne Hoffnung auf Licht

Die Wirbelstürme in unseren Köpfen
zerstören den Rest an Glaubwürdigkeit
an Verstehbarkeit
an unmißverständlichem Reden

Wenn Du gelernt hast
zu fliegen
so mach Dich auf
und entfern Dich von Dir

Eine Flaschenpost am Ufer -
Überbleibsel eines großen Traums
der unterbrochen wurde
durch die aufgehende Sonne

Meine Fragen werden wohl nie
eine Antwort finden -
Wozu auch?!
Sollen sie doch mit mir vergehn!
 


2

   Les femmes sont amoureuses et les
hommes sont solitaires. Ils se volent
mutuellement la solitute et l'amour.

René Char


DREI TAGE lang mit ihr zusammen
und doch getrennt in einem Haus gingen wir
zusammen (mit anderen) einen Weg

Sie bevorzugte den linken Wegrand
während ich krampfhaft versuchte
nicht zu weit vom rechten mich zu entfernen

Schnee bedeckte
die meinen Empfindungen entsprechende
Landschaft (des Allgäus)

Die anderen tobten
warfen sich in den Schnee
spielten und taten als wären WIR
nicht vorhanden

Im Dorf stanks nach Kuhmist
(meine Nase tat ein wenig gekränkt)
Kinder versuchten, UNS
mit Schneebällen zu treffen

(Den linken Fuß geradeaus, den rechten
ein wenig nach außen gesetzt:
so passt nun wirklich alles zusammen)

Stumm - fast schon einer Verzweiflung nahe
versuchte ich mich ihr zu nähern
indem ich feige zurückblieb. - Nichts!

Endlich ein Wort, dann ein zweites
drittes, viertes, usw
Nur Informationen, nichts von großem
Gefühl / es war kalt
draußen - und in unseren Worten

Und der Schnee war auf einmal
rosarot...
und vor meinen Augen tanzte
die Welt...

Ihre Angst / ihre Ungewißheit / ihre Unsicherheit -
was immer sie damals auch dachte - und mir
mir fiel es schwer, mein berstendes Herz zu öffnen

Auf einmal (unsere Worte waren im Schnee versunken)
eilte sie fort, nur irgendwohin - eine Flucht
Mein blöder Blick eilte ihr nach
unerreichbar blieb sie allen Bemühungen

(Wie billig und falsch zugleich
mit großer Geste zu sagen:
»Was redest du von Gefühlen...das ist doch
nichts Neues unter der Sonne...schon oftmals
gesagt...und bestimmt auch schon besser...
du hast kein Recht uns zu langweilen...«»
Glück (ihre Stimme zu hören) und
Trauer (ihre Flucht) zugleich

Am nächsten Tag ein Traum und die Auflösung
des Rätsels zugleich:
ein Gespräch - so voll von
(ja wie sagt man denn nun)
Wirklichkeit & nicht ein einziges Wort zuviel

Mißverständnisse zerbröselt, aufgelöst
in den Wind geschossen wie
eine Signalrakete (schiefes Bild, auch das noch!)

Aufmerksamkeit geschenkt bekommen
ein Gegenüber
ein Mensch

Worte, die wichtig sind, die
wiederholt werden können, die
zählen nicht
wichtig allein ist dieses Gefühl
diese Ahnung von einem Anfang
von etwas

Was ist dieses Etwas?

Davon (vielleicht) später


ACHT SUNDEN und davon
einige an ihrer Seite

ein Tisch - darauf wenige Gegenstände
(Gebrauchsgegenstände: Schreibzeug, Heft, etc.)

Worte begegneten sich
gingen aufeinander ein

Sie war so schön, daß mir der Atem stockte
(manchmal)
und meine Unsicherheit bodenlos schien

Trauer im Blick beim Abschied -
Wo ging sie hin? Warum nicht mit mir?
 


ZEHN MINUTEN im Gespräch
verborgen im Schatten und doch gesehen
von anderen, die nichts sehen konnten
Der Austausch der Wörter, zuerst
nur zögernd, dann
freier - aufgewühlt und doch
gezähmt: Wie fang ichs nur an,
wie bring ich sie auf unsre Seite?
So frei sah ich sie noch nie,
selbstbewußt wohl auch, und doch...
zurückhaltend noch immer...
Das Gefühl der Gemeinsamkeit
in der Abgrenzung gegen die anderen, die
um uns herum standen, schien sich auch bei ihr
durchzusetzen... Und ich war glücklich

Inhalte sind austauschbar
wichtig allein ist:
diese nicht zu übertreffende Ausstrahlung
 


EIN MOMENT blieb stehen
in flirrender Luft: Spiegelungen / Fata Morgana
- dabei war es nicht einmal sehr heiß

Und nun weiß ich nicht mehr
was ZEIT bedeutet
(für mich und jemand, der...)

An wen schreibe ich dies?
Und warum?
Und was macht die Gedanken so ziellos?

Wer von uns hat denn
nun ZEIT? oder auch nicht?
und für wen?
und für was?

UNSICHERHEIT - ein Zustand,
der nicht angenehm ist;
also:
auch ich sehe nicht mehr klar,
jetzt...

AUFRICHTIGKEIT - eine Voraussetzung,
oder:
alles ist unsinnig und miteinander zu reden
bringt keinen SINN...

GENÜGSAMKEIT - wie leicht bin ich
zufriedenzustellen /
                  / wie relativ die Zeit ist...

Aber es ist da:
das Gefühl / die (fast schon) Gewißheit:
daß etwas verborgen ist im Unklaren,
im Nichtgesagten...
Anders gesprochen:
Ich weiß nicht sicher,
was Du denkst...

Meinen Gefühlen
kann ich nicht mehr vertrauen

Ich weiß, es ist nicht leicht,
das passende Wort zu finden
für den Gedanken, den
man denkt...
Noch schwieriger kann es sein,
diese Worte auch noch auszusprechen...

Dein VERSUCH
könnte meine UNSICHERHEIT
vertreiben...
 


WIE ES IST: den Kopf
immer wieder gegen die Wand aus Watte
zu stoßen:
           es schmerzt nicht beim ersten Mal
           es schmerzt auch später nicht
           aber irgendwann
hast du einen Regenbogen im Hirn
Und wie es dann ist:
diese Mischung / dieses IneinanderVerwobensein
von Sonne und Regen...
                       die Deutung
                       fällt schwer!
Es kommt NICHTS zurück:
ich muß endlos (immer wieder)
den Kopf gegen diese Wand stoßen:
endlich
irgendwann einmal
wird diese Wand so hart sein
daß mein Kopf
(und vielleicht sogar mein Herz)
eine Antwort verspürt, die etwas sagt (aussagt)
Es wird etwas geschehen...
Der Tag wird kommen...
 


DEIN SCHWEIGEN zerbricht mich
Espenlaub zittert nicht mehr

Zurückhaltung tötet (unabsichtlich)
das tote Blatt fällt vom Baum

Die Geduld steht vor einem Graben
das verängstigte Reh wagt nicht den Sprung

die Hoffnung meldet Konkurs an
die Natur ist auch nicht mehr das, was sie einmal war

Von der Liebe reden wir erst gar nicht
meine Rose zeigt nur noch ihre Dornen
 


VORLÄUFIGES ENDE von etwas, das
noch gar nicht (richtig) begonnen...
Der Mastbaum gebrochen, zersplittert
tausendfältige Verletzungen und das
nicht nur
am Körper
          und an welch wundersamen Orten
          auch sonst noch
          irgendwie
die Sprache - verwirrt in tausendfältigem
Zungenschlag
Wer denn verstünde
                   wovon hier die Rede
                   von Dir
                   - und es gibt kein anderes Wort -
                   (Verfluchte Sprache!)
von Liebe ist zu reden
und von dem
was sie verdunkelt
von den Worten / den Wörtern, die
aus ihrem Mund (nicht sehr zahlreich)
manchmal
ausgestoßen wurden/werden
                          Aphrodites Kind
                          sing mir ein Lied
Sonst gehts zu Ende
mit mir
        meine Tochter
und meinetwegen auch
                     meine Freundin
Nicht sehr lobenswert
Deine Zurückhaltung
oder was auch immer
Mir gefällts nicht
nicht mehr
           Unser Schiff ist gekentert
die rettende Planke
wer sieht sie zuerst?
 

                       O Neptunus
                      komm her!
                      und wirf mir
                       die Leine zu
Ins Fettnäpfchen getreten
(bei Dir)
und wieder mal voll
danebengelangt
               Wo bleibt die Rettung
               die Heroen
               oder sonstwer
Und die Reaktionen meines Körpers:
Hemd & Hose vollgekotzt
Krämpfe, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle...
...und die Rede versagt...
Du markierst das Ende -
oder zumindest:
die Grenze
           Basta!
Er redet nicht mehr
seine Worte sind stumm
widersinnig sprachlos
und (m)ein Herz schlägt den Takt dazu
dumpf, vielfältig erregt...
O mein Kind,
wenn Du nur eine Ahnung hättest,
was Du angerichtet hast!
                         Die Träume
                         sind (endgültig?) zerbrochen
                         Das gute Leben
                         liegt in unauslotbaren Tiefen
O meine Liebe!
Dies ist nun kein
Betriebsunfall mehr!
                         Der SOS-Ruf verhallt
                         ungehört
...ich Robinson
...du Freitag
                         Laß uns ein Boot bauen!
                         Laß uns verschwinden im Nebel!
                         Laß uns untertauchen in der Menge!
                         Laß uns unsichtbar werden!
                         Laß uns zerschellen am Riff!
Orientierungslos, getrieben (von wem? von mir?)
verrückte Bilder im Hirn - Sehnsüchte -
wovon ich nicht erzählen kann
noch nicht
aber (vielleicht) eines Tages
wird die Zunge sich lockern und
eine Vermählung eingehen mit meinem Begehren
und nichts wird aufhalten
den Strom der Leidenschaft
und das Leben wird besiegt sein
(und der Tod erst recht)
                         So lange ich lebe
                         gibt es Hoffnung
                         So lange Du lebst
                         gibt es die Sehnsucht
                         So lange wir miteinander reden
                         gibt es die Welt
Das ist das
(vorläufige)
Ende dieses Begehrens...
 
 


THEORETISCHES ZWISCHENSPIEL:   wobei es sich handelt um Zitate aus:   Roland Barthes, Fragmente einer Sprache der Liebe, Frankfurt/Main 1984. - Geringfügig verändert und in Zeilen gesetzt von einem Liebhaber
 

                          Half in love with easeful death

Keats

 

Ich bin verrückt,
weil ich verliebt bin.

Noch kennen wir uns nicht
Also müssen wir einander erzählen

Das tiefe, nicht lösbare Rätsel:
warum begehre ich gerade sie?
warum begehre ich sie unablässig, sehnend?

ich bin verwirrt vor Abhängigkeit...

Die fatale Identität eines Liebenden:
nichts anderes als:
ICH BIN DER, DER WARTET.

Traum von der vollkommenen Vereinigung:
alle Welt hält diesen Traum für unmöglich
und doch besteht er fort.
Ich lasse nicht davon ab.

Der Liebende, der nicht
m a n c h m a l
vergißt, stirbt an Maßlosigkeit,
Ermattung und Gedächtnisüberreizung

Ich versuche mir wehzutun
Ich vertreibe mich aus meinem Paradies
Ich bemühe mich, Bilder
(der Eifersucht, des Verlassenwerdens, der Demütigung)
wachzurufen, die mich verletzen können
Die offene Wunde schüre ich
bis eine neue mir Ablenkung verschafft
 

Idee des Opfers
Idee der Reise
Idee des Rückzugs
Idee der Trennung
Idee des Selbstmords

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FÜR DICH:

M/Deine Verhaltensängste sind belanglos, werden immer belangloser, bis ins Unendliche. Wenn mir der Andere, beiläufig oder achtlos, die Telefonnummer eines Ortes gibt, wo ich ihn zu der und der Zeit erreichen kann, verliere ich sofort den Kopf: soll ich ihn anrufen oder nicht? (Es nützt nichts, wenn ich mir sagte, daß ich ihn anrufen  k a n n - das ist der objektive, vernünftige Sinn der Botschaft - denn es ist gerade diese  E r l a u b n i s ,  mit der ich nichts anzufangen weiß.)

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WIE SCHÖN sind doch manchmal
Gesprächspausen...
(wenn sie neben mir geht)
»...schweigend ins Gespräch vertieft...«
- und Sprechen ist Musik...

Wenn die Sonne die Körper
durchwärmt -
wie schillert im Licht
ihr blauer Pullover!

die Zuwendung
(ihres Gesichts, ihrer Augen):
konzentriert -
               ein Ausweichen
ist nicht möglich
(Gefangenschaft?)

Zwischenbemerkung: Kann man überhaupt zu privat sein? Kann man überhaupt zu weit gehen? Kann man überhaupt sich selbst erreichen? Ist die Darstellung von Gefühlen nicht zwangsläufig Kitsch? - Gibt es das 'richtige Wort'?

die Sonne wirft Blasen
unsere Haut entzündet sich im Licht
wir fliegen
            (völlig losgelöst?)
einem unbekannten Stern
entgegen
Wahrscheinlich (vielleicht sogar sicher)
ist meine Genugtuung (Freude?)
übertrieben
und (irgendwann) stürzt alles
in das Dunkel der Nacht

Freut euch!
Ihr, die ihr
immer schon
alles besser gewußt habt
Die ihr immer schon gewarnt habt
aufmerksam gemacht habt
auf die Unmöglichkeit
dieser Liebe

Ihr Arschlöcher!

Wir aber
gehen in ein anderes Blau
 
 


ABSCHIEDSGEDICHT, das die Hoffnung nicht aufgibt,
daß es kein Abschied für immer ist
 

                              Wer hat gesagt, daß sowas Leben
                              ist? Ich gehe in ein
                              anderes Blau.

Rolf Dieter Brinkmann

 

Zu hoffen bleibt immer
ein Rest...

...und ihren Worten kann ich glauben -
immer und ohne Zweifel

die Träume zerschellen
am Riff der Unglückseligkeit
              auf Flügeln getragen
              vom Kranich
              nirgendwohin
auch die Speise vergiftet
und kein Mittel zu retten
                          den zuckenden Leib

Trauer nistet sich ein
löscht den Rest der Glut, der
verblieben ist
in meinem Aschenherz

Halte die Stirn frei
der Wind weht scharf und treibt
die Blüten landeinwärts
den allesverschlingenden Wäldern entgegen

Dunkelheit / Schwärze
und der Blick aus dem Fenster
trägt nicht weit
trägt nicht übers Meer dorthin
wo Du nun bist

Wer lächelt mir nun zu
und gibt mir die Kraft
dieses Grau / diesen Alltag
zu überleben?

Was kann mir noch Spaß machen
wenn die Freude geschwunden ist?

Dein Bild verblaßt nicht
ruft die Erinnerung herbei
an unsre Gespräche
                   - ansonsten:
meine Haare werden mehr & mehr grau
von Tag zu Tag
der Kaffee ist bitter
und verfehlt seine Wirkung
die Nächte werden länger
und Furcht kriecht mir am Körper hoch

Was bleibt
ist Warten

und die Angstrufe
(von Menschen, von Tieren...)
- womit kann ich die Ohren verstopfen
- wie kann ich mich retten

Bist du geborgen / verborgen / geschützt
dort drüben?

Es ist alles ein wenig fader geworden
nicht nur die Sonne und
das tägliche Mahl
Im Biergarten find ich die alten Freunde
nicht mehr
und die Katze hat sich zurückgezogen
will nichts mehr hören
von meinen trüben Geschichten
und wäre ich heilbar von diesen Gebrechen
und könnte ich mich verständlich machen
und erhielte ich endlich eine Antwort

dann...

aber...

Was bleibt
ist Warten
 
 


3

                            Strauch mir herzförmigen Blättern

                            Sommerregen warm:
                            Wenn ein schwerer Tropfen fällt
                            bebt das ganze Blatt.
                            So bebt jedesmal mein Herz
                            wenn dein Name auf es fällt

 

Erich Fried

 

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O Wort, mein Bräutigam,
zeig mir den Ort,
wo du verborgen bist.

Juan de la Cruz

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wenn ich dich gefunden habe
auf meiner gestörten Reise
durch die Ruinenstädte des Heute

wenn ich endlich angelangt bin
am Ziel der Verständigung
zwischen mir und mir und dir

dann wird da sein
das Erkennen und die Erkenntnis

der Kreis der Vollkommenheit
umschließt das Leben
das Wort des Erkennens
bedeutet Vereinigung

wo bist du - Wort?

wo bist du - Weg?

wo bist du - Liebe?
 
 

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...und wenn ich dich lieb habe,
was geht's dich an?

Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre

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und in Dir
in meiner Liebe zu Dir
erlebe ich das Absolute
ich lebe es
             - es, das darin besteht, daß
             man nicht findet,
             keine Erfüllung erlebt -
vielleicht ist gerade das
die Liebe - das Absolute:
diese Beharrlichkeit
diese Ausdauer
dieses unermüdliche Streben
Dich zu finden, zu erreichen


     eines Tages erwachen
     und sie ist nicht mehr da...

Anmerkung

Teil 1
entstand im Winter 1985/86.
Es ist das Schwierigste, sich schreibend an einen Menschen heranzutasten. - Tast- und GehVersuche also.

Teil 2
entstand im Frühjahr/Sommer 1986.
Es ist mein (gemeinsames) Tagebuch mit K. - Es ist der Anfang von etwas, das weitergeht (in alle Ewigkeit). - Die deutsche Fassung des Mottos (in der Übersetzung von Peter Handke) lautet:
   Die Frauen sind liebreich, und die Männer sind für sich.
Sie entwenden einander wechselweise das Für-Sich-Sein und
die Liebe.

Teil 3
entstand Ende März 1986 nach mehrmaliger 'Lektüre' des Films Das Mal des Todes von Peter Handke.