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Buñueloni

Um sich in einer Bar in einen Zustand der Träumerei zu versetzen und darin zu verweilen, braucht man englischen Gin. Mein bevorzugtes Getränk ist Martini dry. Angesichts der heraus-ragenden Rolle, die der Martini dry in meinem Leben gespielt hat, von dem ich hier erzähle, muß ich ihm zwei oder drei Seiten widmen. Wie alle Cocktails ist der Martini dry vermutlich eine amerikanische Erfindung. Er besteht vor allem aus Gin und einigen Tropfen Wermut, vor-zugsweise Noilly-Prat. Die wirklichen Kenner, die ihren Martini gern ganz trocken trinken, behaupten sogar, man dürfe den Noilly Prat erst dann in den Gin geben, wenn ein Sonnenstrahl in berührt habe. Ein guter Martini dry, sagt man in Amerika, sei wie die unbefleckte Empfäng-nis. Bekanntlich habe dem heiligen Thomas von Aquin zufolge die befruchtende Kraft des Hei-ligen Geistes das Hymen der Jungfrau Maria durchquert „wie ein Sonnenstrahl, der durch eine Glasscheibe fällt, ohne sie zu zerbrechen". Genauso sei es mit dem Noilly Prat. Das finde ich etwas übertrieben.
 Das Eis, das man verwendet, muß sehr kalt und sehr hart sein, damit es kein Wasser abgibt. Nichts ist schlimmer als ein feuchter Martini.
 Ich möchte hier noch mein persönliches Rezept verraten — ein Ergebnis langer Erfah-rung, mit der ich großen Erfolg hatte.
 Am Tage bevor die Gäste kommen, stelle ich alles Notwendige, die Gläser, den Gin, den Shaker, in den Eisschrank. Ich habe ein Thermometer, das es erlaubt, die Temperatur des Eises bei ungefähr zwanzig Grad unter null zu halten.
 Am Tage darauf, wenn die Gäste da sind, nehme ich alles, was ich brauche, heraus, schütte zunächt ein paar Tropfen Noilly Prat und einen halben Teelöffel Angostura auf das sehr harte Eis, schwenke das Ganze und schütte es aus bis auf die Eiswürfel, auf denen eine leichte Spur des Geschmacks von Wermut und Angostura zurückbleibt, und darauf gieße ich dann den reinen Gin. Ich schwenke noch ein wenig und serviere. Das ist alles, es gibt nichts Besseres.
 In New York habe ich vom Direktor des Museum of Modern Art in den vierziger Jah-ren eine leichte Variante gehört: Statt des Angostura nimmt man etwas Pernod — für mich ist das Ketzerei. Es war auch nur eine Mode, sie ist längst wieder vorbei.
 Abgesehen von dem Martini, der mein Lieblingsgetränk geblieben ist, bin ich auch der bescheidene Erfinder eines Cocktails mit dem Namen Buñueloni. In Wirklichkeit ist das weiter nichts als ein Plagiat des berühmten Negroni, nur nimmt man statt des Campari, den man sonst mit Gin und süßem Cinzano mischt, Carpano. Das ist ein Cocktail, den ich gern abends vor dem Essen trinke. Auch bei ihm gewährleistet der Gin, von dem man mehr nimmt als von den anderen Bestandteilen, ein gutes Funktionieren der Phantasie. Warum das so ist? Ich weiß es nicht, ich stelle es nur fest.

(aus: Luis Buñuel: Mein letzter Seufzer, Seite 36-37)

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